Die FDP Bad Kissingen hatte eine kenntnisreiche Interpretin der bayerischen Gesundheitslandschaft eingeladen: Frau Dr.Ilka Enger, ehemalige KV-Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns. Entgegen der breit gestreuten Information, die ärztliche Versorgung sei gut im Landkreis, sieht die Situation bei den Hausärzten folgendermaßen aus: Bad Kissingen Versorgungsgrad 225\\%, 53\\% der Ärzte sind älter als 60 Jahre. Bad Brückenau Versorgungsgrad 110\\%, 48\\% der Hausärzte über 60 Jahre. Hammelburg Versorgungsgrad 125\\%, 66\\% der Hausärzte über 60 Jahre. In Bad Königshofen ist das Durchschnittsalter der Ärzte mehr als 60 Jahre. In Bayern sind 35\\% der Hausärzte über 60 Jahre alt.
Laut Vortrag von Adelheid Zimmermann soll der Versorgungsgrad ein Steuerungsinstrument sein, um Ärzte anzuwerben. Dies tut er nicht, sonst würden die Praxen altershalber ja verkauft oder abgegeben. Der Praxiswert rangiert unter jedem Tiefstwert. Förderungen kommen erst bei einem Versorgungsrad unter 100\\% vom Freistaat Bayern. Natürlich warten die Praxisinhaber lieber, bis sie ihr Personal oder die Patienten in guten Händen wissen als mit der Pensionsgrenze aufzuhören. Deshalb kommen diese „sehr guten“ Versorgungsgrade zustande. Die Berechnung basiert auf der Erhebung von 1998 = 100\\%. Dass die Bevölkerung älter geworden ist oder das hessische Umland versorgt oder mehr Patienten in Pflegeheimen versorgt werden, das wird im Versorgungsgrad ausgeblendet. In Bad Brückenau wohnen zum Beispiel 10\\% der Bevölkerung als Bewohner in Seniorenheimen.
Außerdem soll der Versorgungsgrad die Geldmenge für alle Ärzte steuern. Wird im „überversorgten“ Gebiet ein Assistenzarzt von einem niedergelassenen Kollegen angestellt, darf dieser 3\\% mehr Umsatz erwirtschaften. Jede weitere Einnahme würde gestrichen.
Welche Lösungen gäbe es für die Gesundheitsversorgung?
Auf Dauer mehr Ärzte auszubilden, wäre ein Gebot der Logik. Nach der Wiedervereinigung hat man statt der Gesamtsumme der Medizinstudenten nur die Zahl der bisherigen westdeutschen Medizinstudenten ausgebildet: 10 TSD statt 16TSD . Diese fehlenden 6000 Ärzte pro Jahr werden heute durch Ärzte aus dem Ausland ersetzt, was für Krankenhäuser und Patienten ein großes Problem bedeutet. Bayern hat mittlerweile 3 Institute für Allgemeinmedizin an bayerischen Universitäten eingerichtet. Die ist tatsächlich ein Positivum für die Akzeptanz des Allgemeinarztes unter Medizinstudenten. In Niederbayern haben Landkreise Studienplätze in Österreich gekauft und besetzen sie mit Bewerbern aus dem Landkreis. Einen ähnlichen Antrag hatte Adelheid Zimmermann bereits im Kreistag gestellt (wurde belächelt). Einig war man sich auf der Veranstaltung, dass Telemedizin die Ärztezahlen im Landkreis nicht verringern wird, denn auch ein Teledoktor braucht Zeit für Analyse und Zuwendung.
Eingehend wurde über das neue Spahn-Gesetz zu den Terminservicestellen diskutiert. Jeder Arzt mit einem neuen Online-Zugang muss seinen Terminkalender ins Netz stellen. Damit bekommen die KVen Einsicht in die gesetzeskonforme Durchführung einer 25-Stunden-Praxis. Die Sprechzeiten des Arztes können kontrolliert werden. Außerdem müßte der Arzt jeden Patienten, der unangemeldet kommt, auch in den „Kalender“ eintragen und online stellen. Damit bekäme die KV Überblick über Patientenströme und Arbeitszeiten. Fraglich ist, ob die Ärzte dies zulassen sollen (oder müssen). Jeder Arzt, der bislang keinen Konnektor installiert hat, sollte sich gut überlegen, ob er das in Zukunft noch möchte oder lieber Abstriche in der Bezahlung seiner Leistung in Kauf nimmt. Internistin Ilka Enger spricht vom Weg in die Staatsmedizin mit Überwachungsphantasien: Der Konnektor liefert Daten aus der jeweiligen Praxis, was bislang nicht der Fall ist.
Zur Frage der Organspende referierte Dr.Hofstetter, dass Gesundheitsminister Spahn sich vorstellte, die Widerspruchslösung für die Organspende zu favorisieren: Jeder, der nicht widersprochen habe, würde im Falle des Falles als Organspender zur Verfügung stehen können. Die Zuhörerschaft war sich relativ einig, dass liberales Denken vom Staat erwartet, dass er seine Bürger fragt. Grundsätzlich hat der Staat kein Zugriffsrecht auf den Körper seiner Bürger. Der Staat muss schon anklopfen, ob der Bürger bereit sei, freiwillig sich als Organspender zur Verfügung zu stellen. Man könne diese Frage an den Bürger institutionalisieren und im Ausweis eintragen lassen. Der Staat müsse Problemlöser für die Bürger sein und nicht neue Probleme schaffen. Zusammen mit Ilka Enger sind wir gespannt, was sich demnächst in den Praxen in Sachen Terminservicestellen tut. Übrigens zahlen die Ärzte mit ihrem Honorar den Betrieb der Servicestellen.